3. September 2025 Magyar Nemzet von Gergely Huth
Der Autor schreibt über psychologische Kriegsführung in der Politik, deren Kern darin besteht, dass der Alltag von Wut, Nervosität, Unsicherheit und schlechter Stimmung geprägt ist. Die schlechte Stimmung vergiftet das ganze Land mit dem Ziel, gute Absichten zu untergraben und durch die Herbeiführung einer bürgerkriegsähnlichen Stimmung das sozialpsychologische Umfeld für die Wahl zu schaffen.
Es ist ein Gemeinplatz, dass wir zwar selbstbewusst unsere Meinung sagen, uns gegenseitig auf die Schulter klopfen und bekräftigen, dass wir absolut Recht haben, aber in der Realität des anderen, in den anderen Blasen, in einem anderen Gemeinplatz gelten doch ganz andere Absichten und Argumente. Und letztendlich bestimmt die Summe all dieser Faktoren die Stimmung, die Stärke, die Widerstandsfähigkeit, das Wohlergehen und die politischen Entscheidungen eines Landes, der Nation. Das Gegenmittel gegen den Tunnelblick ist Kenntnis der Realität.
In den letzten Wochen konnte ich viele Gegenden des Landes bereisen, mich mit gewöhnlichen, arbeitsamen Menschen austauschen und neben den vielen positiven Erfahrungen
ich feststellen müssen, dass heute viel mehr als früher, eine wütende, nervöse, unsichere, schlechte öffentliche Stimmung den Alltag infiziert. Das ist natürlich nicht verwunderlich, denn das Gebilde Namens Péter Magyar und seine enthusiastischen überall einfallenden Truppen sind seit anderthalb Jahren daran, genau so etwas zu etablieren.
Ich würde nicht behaupten, dass ihm allzu viele Glauben schenken und die Begeisterung um ihn herum lässt inzwischen auch nach, aber er hat es geschafft, dass die Mehrheit lieber zwei Schritte zurücktritt, verunsichert wird, keine Diskussion wagt, in den Kreisen der anderen Realität verstummt oder sich sogar von den Stereotypen, die aus den sozialen Medien auf uns einströmen, anstecken lässt: Von der Epidemie des „Alles-Ist-Scheiße“-Denkens und der „Die-stehlen-betrügen-lügen-nur“-Rhetorik.
Das Ausmaß der Verschlechterung der Stimmung ist natürlich weit davon entfernt, den Wunschtraum des (postkommunistischen) Politologen László Kéri zu erfüllen. Wie aus einem von der Zeitung Magyar Nemzet veröffentlichten Video hervorgeht, sprach dieser Politologe, der zum engsten Kreis von Péter Magyar gehört, in Nagyadorján in Siebenbürgen auf einer Mikro-Kundgebung davon, dass die Anhänger der nationalen Seite beschämt und wie „Pestkranke” behandelt werden müssten, damit ihnen die Luft ausgehe.
Seiner Meinung nach kann diese bis ins Unendliche militarisierte Atmosphäre, die in das Privatleben der normalen Wähler eingreift und allgemeine Feindseligkeit gegenüber den Anhängern der Regierungspartei schürt, zum Sieg der Linken führen.
„Dafür musst du früher aufstehen, Kleiner!“ – das können wir natürlich diesem Teufelsbraten getrost entgegnen, denn die Anhänger der Tisza Partei werden niemals in der Lage sein, das patriotische Lager einzuschüchtern, aber man muss sehen, dass das Gift wirkt, die Infektion sich ausbreitet, was zu einer größeren Spaltung als zuvor und zu einer allgemeinen Zurückhaltung gegenüber der Politik führt. Man sollte jedoch die Ungarn nicht vergessen lassen, welchen Schaden es seinerzeit angerichtet hat, als der Nihilismus das Land beherrschte.
Das Chaos und die Mafiawelt der 90er Jahre, dann die geistige und existenzielle Schrumpfung nach der Rückkehr der Kommunisten, später die durch Gyurcsánys Lügen ausgelöste Unruhe, die Kampagne gegen die Ungarn ausserhalb der Staatsgrenzen, der Polizeiterror und die Morde an Roma. Und natürlich die eingebrochenen Fremdwährungskredite und der Staatsbankrott, die unser tägliches Leben auf eine Weise ruiniert haben, die für jüngere Menschen heute unvorstellbar ist.
Diese wichtige Erfahrung, und damit die Abneigung und Vorsicht der Menschen gegenüber der globalisierten Linken, darf nicht in Vergessenheit geraten.
Es ist nun sinnlos, darüber zu diskutieren, inwieweit die elitäre Wende, die zwischen 2020 und 2022 auf der rechten Seite stattfand, zur heutigen Spaltung beigetragen hat, wie viele gute Patrioten und Fidesz-Wähler dadurch verunsichert wurden oder sich gar abgewandt haben (und natürlich auch die durch den Krieg verursachte Inflation, das bis zum Überdruss diskutierte Luxusleben mancher Fidesz-Eliten sowie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten), denn Viktor Orbáns Team hat bereits Korrekturmaßnahmen eingeleitet, und das nationale Lager wird sich (so oder so) nach April 2026 mit diesen Fehltritten auseinandersetzen müssen.
Die große Mehrheit der potenziellen Fidesz-KDNP-Wähler kann abwägen und weiß, dass all das, was diese Regierung und Ungarn in den letzten 15 Jahren erreicht haben, viel mehr wiegt als die kleinen und großen Schwächen.
Doch dieser Situationsvorteil reicht möglicherweise noch nicht für den Erfolg aus. Der Glaube an den Sieg, die Haltung und der Stolz der Menschen müssen zurückgewonnen werden. Die Gründung des „Klubs der Kämpfer” und der „digitalen Bürgerkreise“ geht sicherlich in diese Richtung, obwohl viel davon abhängt, ob es den Koordinatoren der Bewegung gelingt, neben den politischen Mitgliedern auch Zivilisten in Position zu bringen, damit jeder Kämpfer und Bürger der Regierungspartei den Kampf als seinen eigenen empfinden kann.
Noch wichtiger ist jedoch die ehrliche Sprache, welche wiederum keinen Eindruck von Unentschlossenheit erwecken darf. Deshalb ist es sympathisch, dass wir Viktor Orbán und seine Vision von Ungarn nun schon oft und in vielen verschiedenen Sendungen und Foren hören können. Wer seine Gedanken bei unseren Nationalfeiertagen, Jahresrückblicken, im Vortrag in Tusványos und, wenn möglich, in Kötcse verfolgt hat, weiß natürlich genau, dass dieser Orbán derselbe Orbán ist.
Dass die Marke Fidesz seit fast vier Jahrzehnten dieselbe Weltanschauung vertritt und die Großstrategie auf deren Verwirklichung abzielt. Und diese Vision findet tatsächlich großen Anklang beim ungarischen Volk und ist das wertvollste Kapital, über das die ungarische Rechte verfügt.
Ein gutes Beispiel dafür ist, was der Ministerpräsident beim MCC Fest in Esztergom im Gespräch mit Gergő Kereki über die „Dreckige Fidesz”-Rufe, die auf manchen Musikfestivals zu hören sind, gesagt hat,
„In Ungarn gibt es zwei Arten von Rebellionen, denn die Jugendlichen sind wie die Erwachsenen, auch unter ihnen gibt es Liberale und Patrioten. Und die liberalen Jugendlichen rebellieren offensichtlich gegen die Regierung und gegen alles, was Macht besitzt, und da gerade wir an der Regierung sind, stehen wir eben im Fadenkreuz. Ein anderer Teil der Jugendlichen, die patriotisch gesinnten, rebellieren ebenfalls, aber sie tun dies gegen die globalen Netzwerke, die Soros-Stiftung, Brüssel im Allgemeinen, gegen internationale Kräfte, die das Land unterdrücken wollen. Lassen Sie sich also nicht täuschen, es geht nicht darum, dass ein Teil der jungen Menschen rebelliert und der andere nicht, sondern dass der eine Teil gegen das eine und der andere Teil gegen das andere rebelliert. Und ich glaube, solange es junge Menschen auf der Welt gibt, wird es so etwas immer geben. […] Wir dürfen nie vergessen, dass diese jungen Menschen unsere Kinder sind, wir haben sie erzogen. Es schadet nicht, sich manchmal daran zu erinnern, was wir in diesem Alter gemacht haben, was wir gedacht und hie und da gerufen haben, und dann findet vielleicht alles irgendwie seinen Platz. Ich empfehle also in dieser Angelegenheit elterliche Weisheit und Besonnenheit walten zu lassen.„
Das nenne ich selbstsichere Ehrlichkeit. Gegen schlechte Stimmung könnten also Mut, noch mehr Ehrlichkeit und stolzes Rechtsbewusstsein helfen. Da nun schon Kéris dumme Schmähungen zur Sprache gekommen sind, sei angemerkt, dass die patriotische Seite niemals die Wähler der linksliberalen Seite beschämen und isolieren wollte (ihre Politiker und Intriganten allerdings sehr wohl.)
Es ist jedoch ein gutes Gefühl, dass es spätestens seit Beginn der 2000er Jahre in Ungarn uncool ist, Kommunist zu sein, und dass in besseren Kreisen kaum jemand zugibt, dass er sie wählt. Das könnte auch in Zukunft das nationale Minimum sein.
Während Péter Magyar vor einer Handvoll Anhänger mit etwa derselben Aufrichtigkeit das Land der Liebe verkündet wie der Stalinist Mátyás Rákosi damals den Frieden, bricht immer öfter sein wahres Wesen hervor. In Parajd ging er fast auf einen Reporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens los, weil dieser ihm einige berechtigte Fragen gestellt hatte. Der Tisza-Führer tobte diese Woche auf seiner Facebook-Seite darüber, dass die Fidesz die Haustiere seiner Anhänger vergifte und ihre Immobilien in Brand steckte. Gefällt das noch irgendjemandem?
Auch wenn ein Großteil der Wähler murrt und unsicher ist, sie können diesen Wahnsinn doch nicht wollen.
Lasst uns bei dieser Wahl zwischen Frieden, strategischer Ruhe und dem viel diskutierten ungarischen Weg einerseits und rasender Wut und einer ungewissen Zukunft andererseits wählen.
Ersteres sollte bei der Wahl einfach mehr wert sein!
Autor, Gergely Huth ist Journalist, Chefredakteur von „Pesti Srácok„
MAGYARUL: https://magyarnemzet.hu/velemeny/2025/08/valasztas-fidesz-orban-beke-nyugalom
Deutsche Übersetzung von Dr. Andrea Martin
Bild: Viktor Orbán beim jährlichen Fidesz-Bürgerpicknick in Kötcse, 2022.